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2012-02-14 Polen in Goldgräberstimmung

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28 Standorte buhlen um den Zuschlag für das erste Atomkraftwerk Polens. Sie hoffen auf einen wirtschaftlichen Aufschwung - und darauf, unabhängiger von Russlands Stromversorgung zu werden. Von Knut Krohn

Wenn sich Jan Kulczyk für etwas interessiert, dann ist damit viel Geld zu verdienen. Er ist der reichste Mann Polens und sein Name war zuletzt auffallend häufig mit Zarnowiec in Verbindung gebracht worden, einer kleinen Gemeinde an der Ostsee, einige Kilometer westlich von Danzig. Der Milliardär bewies wieder einmal eine gute Nase, denn in diesen Tagen wurde vom Wirtschaftsministerium in Warschau eine Liste von 28 Orten veröffentlicht, wo in Polen das erste Atomkraftwerk gebaut werden soll. Ganz oben steht der Name Zarnowiec, das die besten Voraussetzungen für ein Kraftwerk böte, erklärte die stellvertretende Ministerin Hanna Trojanowksa.

Gebaut werden soll der Meiler direkt am Zarnowieckier See, aus dem das Kühlwasser entnommen werden könne. Das reiche, um ein AKW mit einer Leistung von 1600 Megawatt zu kühlen, heißt es in einem Gutachten. Sollte mehr Wasser benötigt werden, könne ohne Problem ein kleiner Kanal zur Ostsee gebaut werden.

Und noch ein Argument scheint für Region um Zarnowiec zu sprechen. Dort war zu Sowjetzeiten schon einmal mit dem Bau eines Atomkraftwerks begonnen worden, in den 80er Jahren wurde das Vorhaben jedoch aufgegeben. Zum einen fehlte das Geld und dann war nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl die Akzeptanz in der Bevölkerung drastisch gesunken.

Wie in vielen anderen Ländern Europas ist aber auch in Polen eine Renaissance der Atomkraft zu verzeichnen. Ein Grund dafür ist der Beitritt des Landes zur EU.

Über 90 Prozent des Stroms werden in Polen noch immer aus dem Verbrennen von Braun- und Steinkohle gewonnen. Das soll sich angesichts der strengen Umweltauflagen spätestens im Jahr 2020 ändern, heißt es in einem Strategiepapier der Regierung in Warschau. Dann soll in Polen das erste Atomkraftwerk des Landes ans Netz gehen. Ein zweites AKW soll dann bis 2030 folgen. Beide würden rund zehn Prozent des Energiebedarfs des Landes decken.

Erklärtes politisches Ziel ist aber auch, durch den Atomstrom die Abhängigkeit von Energielieferungen aus Russland senken. Polen steht der ehemaligen Besatzungsmacht auch 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs mit einem abgrundtiefen Misstrauen entgegen.

In den Gemeinden um Zarnowiec sind die Reaktionen auf die Atompläne der Regierung zurückhaltend positiv. Das strukturschwache Gebiet, in dem viele Menschen mehr schlecht als recht vom Tourismus leben, erhofft sich durch den Bau des Meilers einen wirtschaftlichen Aufschwung. Natürlich werde es Proteste geben, glaubt Stanislaw Potrykus. Aber der Bürgermeister von Zarnowiec unterstreicht, dass nicht die Einwohner der Gemeinde gegen das Projekt seien. Das seien nur die Besitzer der Ferienhäuser, sagt er. "Irgendwelche Schauspieler aus Warschau."

Nach Informationen der Tageszeitung Rzeczpospolita herrsche in der Hauptstadt Warschau angesichts des geplanten Atomkraftwerks ein geschäftiges Treiben. Unter den Diplomaten Frankreichs, Japans, Koreas, Tschechiens und der USA gebe es im Moment kein wichtigeres Thema als die Sicherung einer Beteiligung ihrer jeweiligen Atomkonzerne an dem 10 Milliarden Euro schweren Projekt. Polens Premier Donald Tusk hatte bereits vor einigen Monaten klar gemacht, wer am Ende das Rennen machen wird. "Wir arbeiten mit denen zusammen, die aus polnischer Sicht die preiswerteste, sicherste und neuste Technologie bieten", erläuterte der Regierungschef. Und niemand in Polen zweifelt, dass auch für den Milliardär Kulczyk ein Stück vom Kuchen abfällt.

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