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Wie das neue Kapitalanlagegesetz die Energiewende gefährdet

Enge Regeln verhindern erwünschte Bürgerbeteiligung Von Karsten Seibel und Daniel Wetzel

Auch wenn zuletzt viel am Erneuerbare-Energien-Gesetz herumgekrittelt wurde. Die deutsche Energiewende selbst stellt keine öffentliche Interessenvertretung infrage: die Industrie nicht, die Energiewirtschaft nicht, die politischen Parteien nicht. Doch nun droht dem wichtigsten innenpolitischen Projekt der Bundesregierung akute Gefahr von ganz unerwarteter Seite: von Wolfgang Schäuble (CDU).

Der Bundesfinanzminister bereitet derzeit nach EU-Vorgaben ein Gesetz zur Eindämmung des sogenannten Grauen Kapitalmarktes vor: Strenge Regeln sollen sicherstellen, dass windige Anlagebetrüger mit dem Geld ihrer ahnungslosen Kunden kein Unheil mehr anrichten können. Doch das geplante "Kapitalanlagengesetzbuch" hat einen Nebeneffekt, den bislang niemand aus der Ökostrom-Branche richtig auf dem Schirm hatte: Die Auflagen und Grenzwerte für Investoren sind darin so scharf gefasst, dass Bürgerbeteiligungsmodelle faktisch keine Chance mehr haben. Damit droht das wichtigste Finanzierungsinstrument der deutschen Energiewende unbrauchbar zu werden.

Denn nach einer vom Bundesumweltministerium geförderten Studie des Marktforschungsinstituts Trend:Research und des Klaus-Novy-Instituts sind "in den Sparten Fotovoltaik und Windenergie an Land Privatpersonen die wichtigste Gruppe unter den Investoren". Mehr als 50 Prozent der installierten Anlagen zur Stromerzeugung aus regenerativen Quellen befinden sich demnach "im Eigentum von Privatpersonen und Landwirten".

 

Hochgradig alarmiert

Doch dass neue Windparks in Bürgerhand dazukommen, muss nach der von Schäuble geplanten Regulierung des Anlagemarktes bezweifelt werden. Einige in der Ökostrombranche sind jedenfalls bereits hochgradig alarmiert. Der Gesetzentwurf "gibt Anlass zur Sorge, dass das von der Bundesregierung für notwendig erachtete bürgerschaftliche Engagement, insbesondere bei der Energiewende, zum Erliegen kommt", warnt die Naturstrom AG in einem Brief an Schäuble. Greenpeace Energy sieht ähnlich grundsätzliche Gefahren: "Der aktuelle Entwurf", schreibt der energiepolitische Leiter Marcel Keiffenheim an den Bundesfinanzminister, "gefährdet eine dezentrale Energiewende, die sich durch eine Nähe zum Bürger und dessen Beteiligung auszeichnet."

Das plant Schäuble: Wer immer künftig Kapital etwa für einen Bürgerwindpark einsammeln will, muss neue Registrierungs- und Berichtspflichten erfüllen und zudem eine Verwahrstelle damit beauftragen, die Eigentumsverhältnisse zu prüfen und die genauen Zahlungsströme zu überwachen. Ferner müssen ein Interessenkonfliktmanagement und eine interne Revision etabliert werden. Ein angemessenes Risiko- und Liquiditätsmanagement gehört auch dazu. "Schon diese Anforderungen stellen erhebliche inhaltliche Hürden für die Verwalter von Bürgerbeteiligungsmodellen dar", sagt Gert Waltenbauer von der Beteiligungsgesellschaft KGAL, einem Gemeinschaftsunternehmen von Commerzbank, BayernLB, Haspa und Sal. Oppenheim. Der damit einhergehende Aufwand könne von kaum einem Bürgerbeteiligungsmodell gestemmt werden.

Schäubles neue Kapitalmarktregeln sollen zudem eine "Risiko-Mischung" sicherstellen. Der Investor soll dazu angehalten werden, sein Geld nicht nur in eine Windturbine, sondern auch in eine Biomasse- oder Solaranlage zu stecken – zumindest wenn er nur kleine Summen investieren will. Die bislang üblichen "Ein-Objekt-Fonds" dürfen nur noch von Privatanlegern gezeichnet werden, wenn die Mindestzeichnungssumme 20.000 Euro beträgt. Dies wird für die meisten Bürgerbeteiligungsmodelle unrealistisch sein. Die durchschnittliche Beteiligungssumme bei Bürgerwindparks liegt laut Branchenschätzungen bei 2000 bis 3000 Euro. "Das erhöhte Anlegerkapital für Mehrobjekt-Projekte dürfte nur schwer aufzubringen sein", sagt Waltenbauer.

Über den Bundesrat versucht die Ökostrom-Lobby bereits, die Folgen der Finanzmarktregulierung auf ihre Branche zu mildern. Kleinanleger sollten vom Gesetz nicht wie professionelle Kapitalmarkt-Akteure behandelt werden. Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) wirft sich für die Bürgerwindparks ins Zeug. Doch dass dies auch reicht, um EU-Kommission und Bundesfinanzministerium umzustimmen, ist unwahrscheinlich. Denn der Trick bei der neuen Kapitalmarktreform soll sein, dass es keine Ausnahmen mehr gibt. Wenn jetzt schon die Öko-Lobby Privilegien durchboxt, wird der Anlegerschutz in Deutschland bald wieder so löchrig wie ein Schweizer Käse sein, befürchtet man im Hause Schäuble. Allerdings befindet sich das Gesetzgebungsverfahren erst am Anfang. Die wichtigen Anhörungen und Beratungen im Finanzausschuss des Bundestages sind für März und April geplant.

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