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Lärmproblem im Wohngebiet

Unter dem Thema "Umweltfreundlich aber laut" stand der Vortrag von Detlef Krahé bei der VDI Bezirksgruppe Krefeld. Der Wuppertaler Forscher beleuchtete die möglichen gesundheitlichen Nebenwirkungen von lärmenden technischen Anlagen. Etwa der zur flächendeckenden Erzeugung erneuerbarer Energie.

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Ein Thema, das in den letzten Jahren nur langsam in der Öffentlichkeit Beachtung fand, beschäftigte am Dienstagabend die VDI Bezirksgruppe Krefeld: die beeinträchtigende Wirkung von tieffrequentem Schall. Er wird etwa durch Windräder, Blockheizkraftwerke und Biogasanlagen verursacht und damit heute immer öfter auch in bewohnten Gebieten wahrgenommen

Gleich zu Beginn stellte der Dozent, Elektroakustik-Professor Detlef Krahé von der Bergischen Universität Wuppertal, die Historie der Problematik dar. Schon immer hätten Maschinen für den Menschen noch in großen Entfernungen störende Geräusche erzeugt.

Warum sind tiefe Frequenzen ein besonderes Problem? "Bei tieferen Frequenzen gibt es quasi null Dämpfung durch die Luft", erläuterte Krahé dem Publikum. "Ich hatte einen Extremfall, da fühlten sich Betroffene noch in 4 km Entfernung durch eine Schallquelle belästigt." Zugleich räumte er mit einem Vorurteil auf: "Das Geräusch muss gar nicht laut sein, um zu stören – man muss auch nicht überempfindlich sein, um das wahrzunehmen."

Warum in den letzten Jahren die Beschwerden häufiger werden, erklärte Krahé auch mit der modernen Bauweise und Inneneinrichtung von Wohnhäusern: Große, rechtwinklige Räume mit wenig Mobiliar, gefliestem Boden und großen Fenstern seien die Regel.

"Wir bauen in der Summe darauf hin, dass wir diese Lärmprobleme bei tiefen Frequenzen haben – an Schallschutz in diesem Bereich denkt beim Bau niemand", so Krahé. In vielen Zimmern könne bei etwa 20  Hz bis 50 Hz ein Resonanzeffekt entstehen, der den Schall sogar noch verstärke. Ein Albtraum für manch Lärmgeplagte.

Ein interessantes Detail ließt er nicht unerwähnt: Oft sei die Lautstärke im Raum in Wandnähe am höchsten – ausgerechnet dort, wo die meisten Menschen das Kopfende ihres Bettes platzierten.

Eines wurde den Zuhörern im Laufe des Vortrags bewusst: Einfache Lösungen zur Beseitigung des Problems mit tieffrequentem Schall gibt es nicht. Bei großen Windkraftanlagen etwa versagen Normen, Mess- und Rechenverfahren zur Vorhersage der tatsächlichen Lärmbelastung für Anwohner. Und selbst wenn die Problematik richtig erkannt wird, sind Gegenmaßnahmen schwierig, weil tief tönender Schall sich technisch kaum bändigen lässt. Dämmung sei nur begrenzt möglich betonte Krahé und zeigte anhand mitgebrachter Grafiken, wie leicht tiefe Frequenzen durch Wände und selbst Schallschutzverglasung dringen.

Die präsentierten Beispiele belegten auch, dass Großanlagen keineswegs die einzigen Übeltäter sind. Was einige Vortragshörer schon am eigenen Leib erfahren hatten, bestätigte auch der Experte: Dauerhaft arbeitende Kleingeräte – etwa Wärmepumpen oder Kühlgeräte auf Privatgrundstücken – können genauso zum Problem werden. Laufen gleich mehrere dieser Emitter in der unmittelbaren Nachbarschaft, kann sich der Schallpegel schnell summieren. "Besonders Menschen in ansonsten ruhigen Wohngegenden fühlen sich dann oft belastet."

Wie brisant das Thema ist, zeigte sich nach dem Vortag: Viele hatten selbst Erfahrung mit tieffrequentem Lärm im eigenen Zuhause. Eine Besucherin klagte über die mangelnde Bekanntheit und Akzeptanz der gesundheitsschädlichen Folgen, die sie auch an sich selbst beobachtet hat: "Man sollte das Ganze viel mehr publik machen. Wenn man mit den Verursachern spricht, mauern die oft."

Krahé bilanzierte ähnlich: "Die Emission tieffrequenter Geräusche muss mehr Beachtung finden – für die Betroffenen sind das oft erhebliche mentale Belastungen." Wer ihm zuhörte, dem wurde aber auch klar, dass schnelle Besserung nicht in Sicht ist. Geräte zur Verringerung der Schallintensität in den eigenen vier Wänden, sogenannte Active Noise Control-Systeme, steckten noch in den Kinderschuhen. Zu kaufen gibt es sie noch nicht.

Eine angemessene rechtliche Grundlage zur Bekämpfung tief tönenden Lärms aus Energieanlagen könnte zudem noch auf sich warten lassen, so der Wuppertaler Forscher – auch weil noch zu wenig Know-how über die komplexen nötigen Messverfahren und die gesundheitlichen Folgen des Phänomens existiert. "Ob man das alles so schnell in eine Norm reinkriegt, weiß ich allerdings auch nicht", bemerkte Krahé, der selbst an seinem Lehrstuhl am Verständnis des tieffrequenten Lärms arbeitet. MICHAEL CLORMANN

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