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Schadstoff Lärm

Das Umweltamt warnt vor Erkrankungen und fordert mehr Schutz. Auf Straßen, rund um Flughäfen, im Haushalt – aber auch in Ozeanen

Lärm ist ein ganz besonderer Schadstoff. Er wirkt lokal, dafür aber nahezu flächendeckend. Jeder zweite Deutsche fühlt sich durch Lärm gestört oder belästigt. Jochen Flasbarth, Präsident des Umweltbundesamts (Uba), warnt denn auch davor, das Lärmproblem zu bagatellisieren. "Lärm ist die am stärksten unterschätzte Umweltbelastung", sagte Flasbarth bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Behörde am Mittwoch in Berlin. Der Lärmschutz ist ein Schwerpunkt des Amtes in diesem Jahr.

Flasbarth forderte die Politik auf, die Bevölkerung besser vor Lärm zu schützen. So empfiehlt das Uba für stadtnahe Flughäfen wie den neuen Hauptstadtflughafen in Schönefeld ein Flugverbot von 22 bis sechs Uhr und unterstützt damit die Forderung des Landes Brandenburg. Bislang war lediglich geplant, Start und Landungen zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens zu verbieten. Ein generelles Nachtflugverbot lehnt Flasbarth jedoch ab. "Ganz ohne Nachtflüge kommt ein Industrieland wie Deutschland nicht aus", sagte Flasbarth. Um aber die Belastungen für Anwohner zu minimieren, müssten sich bundesweit die Flughäfen untereinander besser abstimmen.

Bei der individuellen Bewertung von Lärm spielen zwar auch subjektive Kriterien eine Rolle. Was die einen als angenehm empfinden, ist für andere viel zu laut. Doch inzwischen zeigen Studien die objektiven Wirkungen der Lärmbelastung. So stört nächtlicher Lärm den Schlaf. Der Körper produziert mehr Stresshormone und erhöht damit das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dauerhafte Lärmbelastung, so haben die Studien gezeigt, kann Bluthochdruck zur Folge haben. Schon bei einer nächtlichen Dauerbelastung mit einem Lärmpegel von 40 Dezibel steigt das Risiko für einen Herzinfarkt, zitiert der Uba-Bericht eine Schweizer Studie. Ob Lärm gesundheitliche Schäden verursacht, hängt davon ab, wie lange er wirkt. Tagsüber kann ein Mensch mehr Geräusche ertragen als während der Nachtruhe.

 

Langsamer ist leiser

Blätterrauschen entspricht zehn Dezibel, ein tickender Wecker kommt auf 30 Dezibel. Ein Radio auf Zimmerlautstärke erreicht etwa 60 Dezibel, ein Düsenflugzeug ist mit 120 Dezibel doppelt so laut. Für das Uba geht es nicht mehr um die Frage, ob Lärm krank macht, sondern um das Ausmaß. Lärm beeinträchtigt die Sprachentwicklung von Kindern, behindert Lesefähigkeit und Gedächtnisleistung. Die gesundheitlichen Schäden durch Lärm ziehen erhebliche finanzielle Aufwendungen nach sich. Die EU-Kommission schätzt, dass allein der Verkehrslärm jedes Jahr europaweit Kosten in Höhe von rund 40 Milliarden Euro verursacht.

In Deutschland leiden 54 Prozent der Bevölkerung unter Straßenlärm, rund ein Drittel beklagt sich über den viel zu lauten Schienenverkehr, und rund 20 Prozent klagen über Fluglärm. Der Straßenlärm hängt dabei entscheidend von der Beschaffenheit der Reifen und des Fahrbahnbelags ab. Sogenannter Flüsterasphalt mindert den Lärm um zwei bis vier Dezibel. Mit der Geschwindigkeit nehmen jedoch die Rollgeräusche zu und sind dann deutlich lauter als die Motoren. Umgekehrt sinkt der Lärmpegel, je langsamer ein Auto fährt. Das Uba empfiehlt, daher nicht nur wie bisher auf Nebenstraßen und in Wohngebieten, sondern auch in "lärmsensiblen Abschnitten" von Hauptverkehrsstraßen die Geschwindigkeit häufiger auf 30 Stundenkilometer zu begrenzen. Dort nämlich müssten Anwohner oft Lärmbelastungen von bis zu 55 Dezibel aushalten.

Eine vermeidbare Lärmquelle beim Schienenverkehr sind die alten, besonders lauten Graugussbremsklötze der Güterwaggons. Flasbarth forderte die Bundesregierung auf, die Umstellung auf geräuschärmere Kunststoffbremsen stärker als bisher zu fördern. Neue Verfahren ermöglichen es, Schienen noch glatter zu schleifen und damit auch bei der Bahn die Rollgeräusche der Räder zu reduzieren. Sogenannte Trassenpreise sollten künftig nach Lärm gestaffelt sein, was ein Anreiz wäre, in leisere Technik zu investieren. Doch nicht nur der Verkehrslärm ist ein Problem. In Eigenheimsiedlungen sind oft Gartengeräte eine erhebliche Lärmquelle.

 

Besen statt Laubbläser

Rasenmäher etwa dürfen daher an Sonn- und Feiertagen grundsätzlich nicht eingeschaltet werden, auch in den Nachtstunden von 20 bis sieben Uhr ist ihr Betrieb verboten. Die besonders lauten Laubbläser, Freischneider und Grastrimmer müssen zudem die Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr einhalten und dürfen schon ab 17 Uhr nicht mehr zum Einsatz kommen. Das Uba will jetzt im Rahmen des Umweltzeichens Blauer Engel Anreize schaffen, weniger lärmende Gartengeräte zu entwickeln. Ein Umweltengel für die ohrenbetäubenden Laubbläser gilt dabei jedoch als eher unwahrscheinlich, zumal es mit dem guten alten Besen schon jetzt eine leise Alternative gibt.

Auch in den Ozeanen wird Lärm zunehmend zu einem Problem. Der Schall breitet sich im Wasser über viel größere Distanzen aus als in der Luft. Viele Meeresbewohner aber sind bei der Orientierung auf akustische Signale angewiesen. das Uba spricht bereits von einer "Verlärmung der marinen Umwelt". Die Schifffahrt, der Betrieb von Öl- und Gasplattformen und auch der Einsatz von Sonaren in der Fischerei erzeugen laute Geräusche, die Fische und Säugetiere wie den Schweinswal verstören. Das Uba erforscht gerade die Lärmbelastung in Nord- und Ostsee, um daraus später Empfehlungen für den Lärmschutz im Meer ableiten zu können.

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